Persönliche Anmerkung: Seit März diesen Jahres möchte ich diesen Prozess („cultural changes“) in meinem Blog reflektieren. Aus verschiedenen Gründen hat dies nicht stattgefunden. Um so mehr freue ich mich jetzt, dass wir in den Dialog gehen. Endlich!

Einstieg:

Im März 2010 – ein kleines (aber feines) Beratungszentrum, mit drei Fachbereichen. Davon sind zwei Fachbereiche das, was man etabliert nennen könnte. Der dritte Fachbereich befindet sich im Aufbau. Diesem aber kommt eine besondere Rolle zu – es ist nämlich der (Fach)Bereich, der das Geld verdienen „soll“ – expandieren kann.

Von „jetzt“ auf „gleich“ bricht die Leitung weg. Die Leitung wird kommissarisch von einer Mitarbeiterin (MB) in Kooperation mit einem Coach (AR) übernommen.

Eine „Großbaustelle“ einerseits – unglaubliche Möglichkeiten andererseits, weil es weder feste Strukturen, noch feste Vorstellungen und vor allem keine Tradition gibt. Einfach alles ist NEU.

—> Alexander Rausch (AR) fragt Manuela Buschbeck (MB) via Etherpad:

Dialogische Kultur – Kannst du das noch hören?

AR: Ich freue mich, dass wir nun endlich anfangen! Ich habe noch keine Ahnung wie wir starten wollen. Vielleicht einfach mit dem, was aktuell passiert ist (die Mail von mir an den GF, wegen des Blogdialogs hier), um dann zu dem zu kommen, was wir erzählen möchten?

MB: Ja, ich freue mich auch, dass es losgehen kann. Da wird es viel zu ordnen, verstehen aber auch zu benennen geben. Ob ich „Dialogische Kultur“ noch hören kann? Ja, kann ich, wenn ich den Prozess als individuellen Prozess begreifen kann. Die Rückmeldung auf Deine Anfrage (GF) hat mich positiv überrascht. Auch wenn jetzt noch nicht geklärt ist, ob wir offen über das Zentrum (mit Einbeziehung und Verlinkung) schreiben dürfen, so ist die Reaktion doch als sehr interessiert und neugierig zu bewerten. Das ist doch schon was!
Ich habe mich gerade gefragt, warum mich diese GF-Mail so beschäftigt – es ist die Haltung, die darin erlebbar wird.: Offen, neugierig, interessiert…

Eine Haltung, auf die wir zu Beginn des Prozesses nicht gestoßen sind (da waren eher Skepsis, Angst, Vorbehalte). Braucht es diese Haltung schon vor dem eigentlichen Prozess, um in eine zeitnahe Umsetzung der Ideen zu kommen?

AR: Die Haltung ist meiner Meinung und Erfahrung nach das Wichtigste im Prozess. Wir haben das in so scheinbar einfachen Aussagen erleben können wie, „das haben wir schon, wir sind doch im Dialog“.
Wer eine dialogische (Unternehmens)Kultur auf „Unterhalten“ reduziert, der kann selbige schnell einführen (wobei eine Kultur einführen schlicht unmöglich ist: Stichworte wachsen, entstehen…), was „sie“ ja getan haben – Das Ende vom dialogischen Lied:

Eine Musik die in den Ohren wehtut – zumindest bei denjenigen, denen hier eine Komposition aus Offenheit, Transparenz, Wertschätzung des Einzelnen, Eigenverantwortung (…) in der dialogischen Musik essentiell erscheint.
Also Haltung: Loslassen, neue Wege gehen wollen, Vertrauen in die Mitarbeiter und deren Ideen, haben Ressourcen, Verantwortung… Zukunft selbst-, eigenverantwortlich gestalten wollen und anderen auch etwas zutrauen…

Es ist schon interessant: Egal in welchen Themen und Netzwerken ich mich in den letzten Jahren bewege, das Thema Loslassen, Vertrauen, Wertschätzung, Offenheit, Ressourcen, neues Paradigma (…), begegnet mir überall! Nun denn, ich schweife ab =)

MB: Nein, abschweifen ist das wohl kaum! Ich erlebe es als absolut zeitgemäß, diese Begriffe mit Inhalten zu füllen, die den Gegenwartsmenschen berühren – ihn in Bewegung bringen – suchen lassen. (…). Aber das bedeutet immer auch, dass ich den sicheren Boden verlassen muss und zwar im vollen Bewusstsein dessen, dass ich nicht voraussagen kann, was folgen wird.

In dem Prozess hatte ich häufig den Eindruck, dass sich Einige einen kleinen Schritt weit weg bewegt haben, aber mit einer Hand das „Alte“ nicht loslassen konnten. Der kleine Schritt aber dann als Legitimation herhalten musste, „Wir tun das doch schon längst“.

Freier Fall (wenn es überhaupt einer ist) macht Angst. In der Auseinandersetzung konnten wir die Angst häufig nehmen, aber das war zu sehr personenabhängig. Den Schritt muss jeder selbst vollbringen.

Der „Unternehmensprozess“ ist zeitgleich ein „innerer Prozess“ jedes Einzelnen.

AR: Das ist doch in meinen Augen die große Illusion: Der Glaube, dass man in diesem komplexen System voraussehen könnte… die Sicherheit einer Planung hätte – Aber trotzdem klammern „wir“ uns an der vermeintlichen Sicherheit der alten Muster fest.

Es funktioniert für viele Menschen, auch wenn sie dann ent-täuscht werden (siehe Finanzkrise, „Kampf dem Terror“, Bildungssystem, Politik, Top-Down Kultur …) – aber nach der Ent-täuschung wird wieder Sand gestreut und alle tun so, als wäre die Welt wieder in Ordnung: Es wird im Golf von Mexiko wieder nach Öl gebohrt (mit neuen Sicherheitsstandards, versteht sich), Banken dürfen wieder aus den vollen schöpfen (sie haben ja gelernt – ich möchte auch eine BadBank!), die Wirtschaft floriert wieder, es gibt bald keine Arbeitslosen mehr (glaub keiner Statistik, die du nicht selbst…) usw. usf.

Woran mag das liegen? Der Mensch bekommt alle Freiheiten dieser Welt und wünscht sich nichts mehr als gesagt zu bekommen was zu tun ist. Interessant.
Zurück zum Thema: Die Einführung einer dialogischen Kultur bedeutet ja nichts mehr (aber auch nicht weniger), als dass für diesen Prozess, den du als „inneren Prozess“ bezeichnest, der Raum geöffnet wird. Ob eine dialogische Kultur entsteht, das hängt zwar von den Rahmenbedingungen ab, die das Unternehmen bietet, ob die Mitarbeiter diesen jedoch nutzen, um innere Prozesse zu vollziehen, das hat viel mit Mut zu tun.
Und hier schließt sich der Kreis: Viele halten lieber am Alten, Bekannten fest – auch wenn es noch so schlimm ist – anstatt den Mut aufzubringen in eine ungewisse Zukunft zu gehen. Das erleben wir tagtäglich in unserer Arbeit, oder etwa nicht? Reformen sind das Maximale, was vorstellbar ist. Und wie die funktionieren, das kann man in den täglichen Nachrichten verfolgen (Bildungsreform, Gesundheitsreform… die üblich Verdächtigen!).

MB: Gut, Angst zu haben, altbewährtes aufzugeben, oder den Mut aufzubringen, sich in eine (scheinbar) ungewisse Zukunft zu begeben; findet doch auf einer Ebene statt, die bewusste Entschlüsse ausschließt. Ich kann mich bewusst zu etwas entschließen und dann u.U. ängstlich oder mutig darauf zugehen – entscheidend ist doch, dass ich mich bewegen WILL.

Aber damit ich mich bewegen wollen kann, muss ich doch eine Idee davon haben wohin – ein Anliegen, eine Vision – vielleicht auch Neugier, Interesse… Die Welt in „unserem kleinen Zentrum „war doch in Ordnung, das Anliegen kam von Außen und zwar mit aller Wucht—-die Menschen wurden bewegt und kamen wieder zum Stillstand… wurden wieder bewegt und kamen wieder (nanu) zum Stillstand…

Konnten sie denn überhaupt die Idee zu ihrem Anliegen machen, um sich selbst in Bewegung zu setzen?? Solange das nicht passiert ist, gab es Lippenbekenntnisse, Bremsmanöver etc.

Dialogische Kultur.
AR: Jetzt wollten wir den Prozess des letzten halben Jahres hier aufarbeiten und ich merke, wir schweifen ab in einen allgemeinen Dialog… auch schön, aber so kommen wir wieder weit weg von unserer Idee den Changeprozess hin zu einer dialogischen Kultur im Beratungszentrum zu beschreiben. Oder etwa nicht? Vielleicht zeigt dieses „Vorspiel“ ganz gut, wie schnell man von der dialogischen Kultur in Unternehmen zum Dialog im allgemeinen abschweift – sicherlich ein Phänomen, welches wir an anderer Stelle wieder aufgreifen können.

Meine Idee: Jetzt haben wir uns angenähert, „warm gemacht“ und sollten im nächsten Teil dazu kommen, den Changeprozess zu beleuchten. Was meinst du?
Weißt du noch womit alles angefangen hat? Damit können wir dann den Teil 2 starten!

MB: Für mich ein Beispiel dafür, wie umfassend das Thema „dialogische Kultur“ ist. Dadurch, dass wir eben nicht bloß in der Theorie damit umgegangen sind, werden unmittelbar die Widerstände, die Hürden sichtbar. Vor allem aber geht es eben nicht ohne die Menschen, die daran beteiligt sind.

Bei Neueinstieg in das Thema, um deren unmittelbaren Reaktionen. Eine Veränderung der Unternehmenskultur lässt sich nicht überstülpen, ausrufen. Als Begleiter dieses Prozesses brauche ich die Bereitschaft die Schritte wahrhaftig begleiten zu wollen, ohne die Vision aus den Augen zu verlieren.

Das ist die Kunst!!! Ein Verständnis für mein eigenes Tun, die Vision lebendig sein lassen, zur richtigen Zeit begleiten, aber auch Bewegung fordern.
In dem kurzen Austausch mit Dir ist mir noch einmal sehr deutlich geworden, dass die „dialogische Kultur“ kein Modell ist, nicht einfach anwendbar, sondern vielmehr ein Wechselspiel zwischen Unternehmensentwicklung und (ja, in der Tat) Persönlichkeitsentwicklung.

Um einer Persönlichkeitsentwicklung Raum zu geben, kann ich ein Milieu anbieten, z.B. im Team, das die Eigenverantwortung stärkt. Darf ein Mitarbeiter Eigenverantwortlich handeln stärkt das widerrum seine Identifikation zum Unternehmen.
An dieser Stelle ruft eine innere Stimme „EINSPRUCH“! Denn: nicht alle Mitarbeiter wollen Eigenverantwortlichkeit. Was ist zu tun? Wie mit den Mitarbeitern umzugehen, die „nur“ ihren Job machen wollen?

AR: Einspruch stattgegeben. Wir werden dieses Phänomen vielleicht schon im nächsten Teil beschreiben. Erfahrungen dazu haben wir ja einige sammeln können.

Resume:

Deutlich ist, dass sich der gesamte Prozess auf unterschiedlichen Ebenen abgespielt hat und abspielt. Diesmal ging es in erster Linie um die Frage der Haltung der beteiligten Menschen, um das Wechselspiel Unternehmensentwicklung – Persönlichkeitsentwicklung – im weitesten Sinne um die Freiheit im Denken und Handeln des Einzelnen.

Im nächsten Beitrag werden wir von unseren Erfahrungen der Umsetzung einer neuen Kultur im Fachbereich berichten und wie sich dieser Umbruch so nach und nach auf alle Fachbereiche ausgeweitet hat.

Wir melden uns wieder! –> culture change [part2/x]