Web 2.0 kann viele Sinne (Wahrnehmung) ansprechen und ist somit für Bildungszwecke sehr gut geeignet. Auch im semantischen Zusammenhang ergibt Web 2.0 Sinn – Bedeutung. Ich habe im ersten Teil einige innovative Gruppen/Menschen aus dem Bildungsbereich genannt, die verschiedene Einsatzmöglichkeiten des „Mitmachinternets“ erfolgreich in der Bildung einsetzen. In meiner Arbeit konzentriere ich mich hauptsächlich auf die kommunikativen Aspekte des Web 2.0. Menschen beschweren sich häufig darüber, dass heutzutage nicht mehr ehrlich, offen, inhaltsvoll … kommuniziert wird. (Hoch) SchülerInnen beschweren sich darüber nicht ernst genommen zu werden, (Hoch) Schullehrern geht es ähnlich bzw. es fehlt ihnen an Respekt, „geistreicher“ Kommunikation usw. usf. Genau an dieser Stelle setze ich an.
Neben den didaktischen Einsatzmöglichkeiten, bietet das Kommunizieren mit Web 2.0 Tools eine sehr gute Möglichkeiten Kommunikation „neu“ zu erlernen. Neu deshalb, weil zunächst der virtuelle Kontext alles neu erscheinen lässt. Wenn wir uns aber davon verabschieden, dass real und virtuell zwei Welten sind – im Sinne von die eine ist real, die andere nicht – dann kann das Lernen beginnen.
Die negativen Schlagzeilen über Mobbing oder Verleumdung im Internet kennen wir. Die Frage ist: Was passiert da? Wenn wir mal die Menschen ausklammern, die sich, wie in der Face2Face Kommunikation auch, immer nur alles und jeden schlecht machen, dann haben wir einen Teil von Internetusern, die sich im Bildungszusammenhang auf Plattformen wie StudiVZ und SchülerVZ teilweise sehr „heftig“ in ihrer Kommunikation verhalten. Warum tun sie das?
Da gibt es zunächst die ganz „normalen“ sozialisationsbedingten Verhaltensweisen in Peer Groups. Aber danach kommen ganz schnell richtige „Frustkiller“, die alles raus lassen, was sich in Schule oder Hochschule angesammelt hat. Es scheint in Bildungseinrichtungen an Kommunikations- und Feedbackkompetenz zu fehlen: Wenn sich nichts aufstauen würde, müsste sich auch nichts entladen! Wie können wir dieses Phänomen positiv nutzen?
Ich habe im ersten Teil darüber geschrieben, dass es an Internetkompetenz fehlt. Ein Beispiel: Schon häufiger habe ich mitbekommen, dass sich Lehrer bei SchülerVZ angemeldet haben, die „Frustkillerstories“ gelesen haben und dann den entsprechenden Verfassern mit Schulverweisen oder anderen Disziplinarstrafen gedroht haben. Da würde sich Herr Schäuble freuen, wenn die Polizei so agieren dürfte! Wir rekonstruieren: Ein Vorbild (Lehrer) meldet sich illegal an, macht sich strafbar und hat dann noch den Mut sich hinzustellen und den Schülern Strafen anzudrohen. Verkehrte Welt, was sollen Kinder dabei lernen?
Auf der anderen Seite: SchülerVZ, Eintrittsalter 12 Jahre. Ein Mädchen, 10 Jahre, möchte sich anmelden, da „alle“ ihre Freundinnen auch da sind. Eltern: AGB´s gelesen und der Tochter erklärt, das geht nicht, aber wir schreiben an SchülerVZ und vielleicht geht es dann doch, da wir einverstanden sind. Antwort SchülerVZ: (…) wir wissen, dass sich viele illegal anmelden, können aber nichts tun. Eine Ausnahmeregelung geht nicht, bitte unseren Jugendschutzbeauftragten kontaktieren. Die Eltern haben ihn kontaktiert und nie mehr etwas gehört. Die Tochter fand dann SchülerVZ auch doof, da sie etwas von Mobbing mitbekommen hatte. Eltern: Glück gehabt. Sie sehen schon, mit der Kompetenz ist es gar nicht so leicht und schon erst recht nicht im Web 2.0 (Sie können in den Kommentaren gerne weitere Beispiele nennen).
Da es einen Erziehungs- und Bildungsauftrag an Schulen und Hochschulen gibt, kann ich die momentane Situation nur so beschreiben: Das ist unterlassene Bildungsleistung! Ist das eigentlich strafbar? 😉
Einerseits bedarf es der Aufklärung (…googeln?) darüber was für Möglichkeiten es gibt (Tools) und andererseits die Kompetenz in deren Anwendung. Bevor inhaltlich gearbeitet wird, ist es meiner Meinung nach, als Basisvoraussetzung am wichtigsten, Kommuniaktionsskills und Feedback zu erlernen. Nicht nur die Beispiele aus den Foren belegen das, sondern auch die Probleme aus dem ganz normalen Bildungsalltag, zwischenmenschlich – ohne Computer!
Hier ist die große Chance ein Thema aufzugreifen, welches sonst viel zu kurz kommt. Wir lernen Schreiben, Lesen und Sprechen und damit ist es dann in der Regel getan. Eben nicht. Kommunikation ist viel mehr und das erleben wir jeden Tag aufs Neue: Der versteht mich einfach nicht, das habe ich ganz anders gemeint, so war das aber nicht, das wurde völlig falsch interpretiert etc. etc. Über das Medium Internet kann das Thema Kommunikation tiefer betrachtet und „neu“ erlernt werden.
Fangen wir einfach irgendwo an, z.B. beim Phänomen SchülerVZ, StudiVZ, oder im Lehrerzimmer: Schaffen wir eine Feedbackkultur in den Bildungseinrichtungen, lernen wir wertschätzend zu kommunizieren, lernen wir respektvoll miteinander umzugehen, lernen wir, dass der Lehrende nicht immer und automatisch Recht hat, lernen wir Fehler machen zu dürfen, lernen wir auch die Lernenden als Experten zu betrachten… lernen wir Offenheit, Transparenz und Vertrauen. Web 2.0 gibt uns hier eine Fülle an Werkzeugen, mit denen wir Kommunikationskompetenz mit Spaß und Sinn erlernen können.
Was macht ihrer Meinung nach Sinn?
Ich finde deinen Beitrag gut. Ich würde mir mehr solcher Beiträge wünschen.
Was mir noch zu wenig diskutiert wird, ist der Ansatz: was brauchen wir eigentlich für Tools zu unsere Web 2.0-Kommunikation? Also nicht so sehr die Diskussion, da gibt es im Web 2.0 dies Tool und jenes und wir brauchen eigentlich nur zugreifen. Sondern mehr: Wenn es gar keine Web 2.0 Tools gäbe, welche würden wir uns wünschen, wie sollen sie aussehen.
Nachgelegt. Jeder kennt Google und kann damit halbwegs umgehen. Das ist die Suchmaschine und sie erfüllt die Bedürfnisse nach Informationssuche. Und schon hören wir auf zu denken. Es gibt kaum mehr Fantasien, was man sich eigentlich für eine Suche im Web wünschen oder vorstellen könnte. (Das sah vor 10 Jahren anders aus). Kaum jemand kennt zum Beispiel die europäische Alternative zu Google http://www.exalead.de/search. Nicht das diese Websuche das Gelbe vom Ei ist, aber wir machen uns kaum mehr Gedanken um das Suchen. Und das ist Schade.
Nachgedanke: Ich weiß nicht, ob die jetzigen Web 2.0 Tools für den Unterricht geeignet sind. Trotz allem, was uns Erwachsene daran fasziniert, wissen wir wenig darüber, was für die Kids das Beste wäre.
Es stellt sich doch zudem das Problem, dass das Web 1.0 noch nicht wirklich in der Schule angekommen ist.
Aber Deine Ausführungen finde ich sehr passend. Zur gleichen Thematik, siehe hier:
http://www.faz.net/s/RubC3FFBF288EDC421F93E22EFA74003C4D/Doc~E15068E85CDEA4D13A20A4292D036C3CC~ATpl~Ecommon~Scontent.html
@itari Was für wen gut, besser, richtig usw. … wäre können (wollen) „wir“ nicht entscheiden. Was wir aber können ist, gute Voraussetzungen dafür schaffen, dass in der Bildung die Welt aus vielen Perspektiven erfahrbar wird. Wenn es bei Google und SchülerVZ endet… dann ist irgendwo etwas nicht wirklich angekommen.
@Tobinski: Viele Probleme, das ist klar. Der Vorteil: Man sucht sich sein Lieblingsproblem raus und fängt an es zu lösen 😉